Hans G. Beck
Jena
Sehr geehrte Damen und Herren des Festkolloquiums zu Ehren von Herrn
Professor László Detre!
Leider ist es mir aus gesundheitlichen Gründen nicht möglich, selbst
einen Beitrag über die Beziehungen zwischen den ungarischen Astronomen und der
Astro-Abteilung von Carl Zeiss Jena hier vorzutragen. Ich bedanke mich bei
Herrn Professor Lajos Balázs für die Einladung und wäre gern nach über
30 Jahren wieder nach Budapest gekommen.
Die Beziehungen begannen bereits vor der Gründung der Abteilung durch
freundschaftliche Kontakte und Lieferungen für das Privatobservatorium von
Miklos von Konkoly-Thege in O'Gyalla. Pauly war ein Zeitgenosse Konkolys,
beide waren etwa gleich alt. Als promovierter Chemiker leitete Pauly eine
große Zuckerfabrik bei Mühlberg/Elbe mit bedeutendem Erfolg, insbesondere
durch die Entwicklung neuer Technologien und Ausrüstungen für die
Verarbeitung von Zuckerrüben. Pauly interessierte sich aber schon von Jugend
an für die Astronomie und hatte nun finanzielle Mittel, sich intensiver mit
dieser Wissenschaft zu beschäftigen. So baute er sich eine eigene Sternwarte
auf, wobei ihn Konkoly unterstützte. Es gab zwischen beiden eine Art
Seelenverwandtschaft, aus eigenen Kräften sich die Mittel für Forschung und
Entwicklung zu schaffen.
Das besondere Interesse Paulys galt der Astro-Optik und er schuf eine
leistungsfähige Optikwerkstatt mit einem großen Kundenkreis. Um 1890
lieferte er ein 6-Zoll-Objektivprisma und zwei 8-Zoll-Objektive nach
O'Gyalla und nach Herény.
Große Aufmerksamkeit erregte Paulys Apochromat aus neuen
Schott-Gläsern, den Professor Max Wolf von der Heidelberger Sternwarte auf
dem Königstuhl als einen wesentlichen Fortschritt auf dem Gebiete der
Fernrohroptik rühmte. Damit war eine Innovation entstanden, die die Grundlage
für den Aufbau einer Werkstatt für astronomische Optik bei Carl Zeiss Jena
bilden konnte.
Über dieses neue Objektiv und die neue Abteilung für astronomische
Objektive berichtete Max Pauly auf der Tagung der Astronomischen Gesellschaft
in Budapest im Jahre 1898, die von Konkoly organisiert worden war. An dieser
Tagung nahm auch der Observator der Jenaer Sternwarte Otto Knopf teil, der von
Ernst Abbe, dem führenden Wissenschaftler des aufstrebenden Weltunternehmens
der Feinmechanik und Optik in Jena, mit den Geschäften der Astronomischen
Lehre und Forschung betraut worden war.
Zu den Teilnehmern der Tagung der Astronomischen Gesellschaft in Jena im
Jahre 1906 gehörte auch Konkoly, der sich von den Fortschritten in Jena
überzeugen konnte. Aus der Werkstatt für astronomische Optik war eine
Abteilung geworden, die bereits astronomische Groß geräte wie das
720-mm-Spiegelteleskop für Heidelberg und das 400-mm-Spiegel-teleskop für
Innsbruck hergestellt hatte.
Solche Groß geräte zählten nicht zur Planung Konkolys, aber er
erwarb die neue Zeiss'schen Wechselvorrichtung mit der bekannten Ringschwalbe
für seine Teleskope, um beim Austausch von Nebengeräten die
Beobachtungstätigkeit zu rationalisieren.
Mit der Übertragung der Konkoly'schen Sternwarte an den Staat im
Jahre 1899 war deren Existenz für die Zukunft gesichert und wie wir mit
Befriedigung feststellen können, selbst nach dem Untergang der K.u.K.
Monarchie.
Die neue Sternwarte in Budapest erhielt 1928 ein großes
Doppel-Teleskop mit einer Montierung von Heyde/Dresden mit einem
600-mm-Spiegelteleskop und einem 300-mm-Refraktor von Carl Zeiss Jena, das
heute noch in modifizierter Form als automatisiertes Teleskop im aktiven Dienst
steht. Auch zwei Kuppeln, verschiedene kleinere Teleskope und Auswertegeräte
gehörten zu den Geräten von Carl Zeiss Jena.
Das Hauptarbeitsgebiet der Sternwarte blieb die von Konkoly intensiv
betriebene Beobachtung veränderlicher Sterne, auf dem man auch mit kleineren
Teleskopen, wie sie in Budapest vorhanden waren, erfolgreich tätig sein. In
Deutschland gab dafür Cuno Hoffmeister in Sonneberg ein Beispiel. Nach
Abschluß seines Studiums in Berlin im Jahre 1929 begann László Detre seine
Forschungsarbeiten in der Konkoly-Sternwarte mit großem persönlichen
Einsatz bei der Beobachtungsarbeit. Ähnlich wie bei Cuno Hoffmeister in
Sonneberg wurde jede klare Minute zum Beobachten genutzt und eine große
Zahl photographischer Himmelsaufnahmen gewonnen und ausgewertet.
Als László Detre 1943 Direktor der Konkoly-Sternwarte wurde, war
überhaupt nicht daran zu denken, daß die ungarische Astronomie durch neue,
leistungsfähigere Teleskope und Ausrüstungen die von Konkoly geschaffenen
Grundlagen der Astrophysikalischen Forschungen weiter ausbauen könnte.
Es ist bemerkenswert, daß - ähnlich wie nach dem Ersten Weltkrieg
- viele zerstörte Sternwarten wieder aufgebaut wurden und darüber hinaus
neue Forschungsgeräte installiert wurden. Damit hatte auch die Astroabteilung
von Carl Zeiss Jena eine Chance, im Rahmen des Wiederaufbaus des Zeisswerkes die
Tradition der Astroabteilung fortzusetzen und sogar ein höheres
Leistungsniveau anzustreben.
An vorderer Stelle standen die Schmidtspiegelteleskope und in Jena
folgte dem 2-m-Universal-Spiegelteleskop mit dem größten
Schmidtspiegelsystem der Welt, das Große Schmidtteleskop für die
Sternwarte Hamburg-Bergedorf.
Die ersten Gespräche um eine Modernisierung und Vergrößerung der
Ausrüstung der Sternwarte fanden 1956 anläßlich der Konferenz über
Veränderliche Sterne statt. Es ging um ein Schmidtspiegelteleskop, das den in
der Veränderlichforschung eingesetzten Astrographen überlegen war.
Es trat dann der günstige Fall ein, daß mehrere Sternwarten an
einem Spiegelteleskop-Typ interessiert waren, der für die Ausbildung von
Studenten in gleicher Weise wie für die Forschung geeignet war. Mit dem
Teleskop, so war die Konzeption von Zeiss, sollte, ähnlich wie bei dem
2-m-Spiegelteleskop, das 1960 in Tautenburg in Betrieb genommen worden war,
neben dem Schmidtsystem auch noch eine Cassegrainvariante Einzeluntersuchungen
astronomischer Objekte ermöglichen.
An diesem Schmidtspiegelteleskop waren die Sternwarten Jena, Budapest,
Poznan und Peking interessiert und so kam es zu einer intensiven Zusammenarbeit
zwischen den Jenaer und den Budapester Astronomen. 1962 wurde das
Schmidtspiegelteleskop 600/900/1800 auf der neuen Bergstation Piszkéstetö in
dem Mátra-Gebirge in Betrieb genommen. Ihm folgte 1966 ein
500-mm-Cassegrain-Teleskop.
In dieser Zeit waren in Jena die neuen 2-m-Spiegelteleskope für
Schemacha (Aserbeidshan) und Ondrejov (CSSR) im Bau und zwei 1-m-Teleskope mit
Ritchey-Chrétien-Spiegelsystemen für die indischen Sternwarten in Kavalur und
Nainital in Entwicklung.
Dieser Teleskoptyp war für die Konkoly-Sternwarte ein optimaler
Kompromiß zwischen Leistungsfähigkeit und Kostenaufwand verglichen mit
einem 2-m-Teleskop. Zeiss hatte Vorteile mit einer weiteren Fertigung für
Sternwarten in aller Welt. Durch die niedrigen Polhöhen der indischen
Sternwarten war eine sogenannte Englische Montierung vorteilhaft, bei der die
Stundenachse von zwei Pfeilern getragen wird. Für die Fertigung dieses Typs
konnte eine Standardkonstruktion verwendet werden, die für den Kunden und den
Lieferanten ökonomische Vorteile bot.
Damals entwickelte sich ein Umbruch in der Antriebs- und Steuertechnik
der Teleskope, aber auch der gesamten Gerätetechnik des
Zeiss-Fertigungsprogramms.
Die Astroabteilung von Carl Zeiss Jena stand vor einem Dilemma. Die
bisherige Elektrotechnik war nicht mehr zukunftsträchtig, es gab aber keinen
Partner mit entsprechenden Erfahrungen in der DDR für eine moderne Lösung.
Bei der Beratung dieser Problematik in Budapest ergab sich der
Glücksfall, daß in der Budapester Firma VILATI ein potentieller Partner
mit Erfahrungen auf dem Gebiet der Steuerung von Werkzeugmaschinen existierte,
der zudem noch Zugriff auf moderne westliche Bauelemente der Elektronik hatte.
Dank der Bemühungen von Prof. Béla Balázs und einer glücklichen
Konstellation der kommerziellen Beziehungen zwischen Ungarn und der DDR im
Rahmen der Gegenseitigen Wirtschaftshilfe konnte das Problem gelöst werden.
Die Zusammenarbeit mit den Spezialisten der Firma VILATI unter Leitung
von Diplomingenieur Otto Bánhegyi war hervorragend und es gab keine
Schwierigkeiten bei der Übertragung der Steuerung einer Werkzeugmaschine auf
ein Teleskop.
Von besonderem Vorteil war, daß die erste neue Teleskopsteuerung in
Ungarn zur Anwendung kam und die Betreuung des Teleskops gesichert war.
Das Teleskop wurde 1974 in Betrieb genommen.
Was zunächst nur als eine Lösung für das ungarische Teleskop
angesehen wurde, entwickelte sich für Carl Zeiss Jena und die Firma VILATI zu
einer Erfolgsgeschichte. Von dem 1-m-Teleskop-Typ wurden bis 1990 weitere 10
Geräte vor allem in den astroklimatisch günstigen Gebieten Mittelasiens in
Betrieb genommen.
Inzwischen war auch die Digitaltechnik produktionsreif geworden und so
konnte Carl Zeiss Jena dank der guten Zusammenarbeit mit der Firma VILATI auch
auf diesem Gebiet mithalten und die Beobachtungsarbeit rationalisieren. Die mit
dem 1-m-Teleskop gewonnenen Erfahrungen konnten auf die neuen
2-m-Ritchey-Chrétien-Teleskope für die Observatorien Roshen/Bulgarien und
Terskol/Kaukasus übertragen werden.
Wie Sie sehen können, verdankt die Astroabteilung von Carl Zeiss Jena
wesentliche Impulse ihrer Entwicklung der ausgezeichneten Zusammenarbeit mit
bedeutenden ungarischen Astronomen und Institutionen. Es ist erfreulich
festzustellen, daß Professor László Detre zur richtigen Zeit diese Impulse
auslösen konnte. Persönlich freue ich mich, daß ich in meiner Funktion
als wissenschaftlicher Leiter der Abteilung für Astronomische Geräte bei
Carl Zeiss Jena diesen Aufbau fördern konnte. Ich hatte als Praktikant an der
Sternwarte Sonneberg meine Lehrzeit als Astronom mit der Beobachtung von
Veränderlichen Sternen begonnen ebenso wie mein engster Mitarbeiter Alfred
Jensch, der dann Chefkonstrukteur der Astroabteilung wurde.
Ich wünsche der ungarischen Astronomie weiterhin eine gute Entwicklung
und viele Erfolge.